Ein Stadtportrait "Nach Kiel kommt man des Wassers wegen", schrieb einmal ein Journalist. Auch wenn diese Aussage so pauschal nicht gilt - von der schönsten Seiten zeigt sich die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt jedenfalls am Ufer der 17 Kilometer langen Förde. "Des Wassers wegen" ließ Graf Adolf IV. seine "Holstenstadt tom Kyle" um 1233 auf der Halbinsel eines Fördearms anlegen. 1242 erhielt der Ort auf dem 17 Hektar goßen Hügel die Stadtrechte, was im Jahr 1992 Anlaß für das 750jährige Stadtjubiläum war. Nach der Gründung zog es zunächst Adlige, Kaufleute und Handwerker in die Stadt. Der fast sturmsichere Hafen sollte zum Stützpunkt im Ostseehandel werden. Aber trotz der Mitgliedschaft in der Hanse vom Ende des 13. Jahrhunderts an blieb Kiel nur ein regionales Zentrum. Nur der Adel machte Kiel im 14. Jahrhundert zum Ort eines bedeutenden Kapitalmarktes beim "Kieler Umschlag".
Über Jahrhunderte führte die Stadt ein beschauliches Dasein. Das änderte sich, als Kiel 1871 zum Hauptmarinestützpunkt ernannt wurde. Binnen weniger Jahrzehnte wuchs die Stadt zur Großstadt heran. Heute leben knapp 240.000 Einwohner in Kiel. Nach den verheerenden Zerstörungen im zweiten Weltkrieg - rund 80% der Stadt lagen in Schutt und Asche - bauten die Kieler ihre Stadt fast völlig neu auf. Der alte Markt, der Rathausplatz, der Asmus-Bremer-Platz und in jüngster Zeit der Europa-Platz vor der Ostseehalle zeigen unverwechselbar den Charakter der Hafenstadt. Die Innenstadt gehört den Fußgängern. Schon 1953 wurde die Holstenstraße, der wichtigste Geschäftsbereich der Innenstadt, als Fußgängerzone gestaltet.
Als Tor nach Skandinavien ist Kiel seit den sechziger Jahren eine wichtige Drehscheibe zwischen Nord und Süd. Als sich die früheren Ostblockstaaten gen Osten öffneten, knüpfte Kiel neue Verbindungen über die Ostsee. Die Hafenstatistik macht das deutlich: 1,8 Millionen Passagiere im Fährverkehr, 5,5 Millionen Tonnen Güterumschlag. Mehr als 37.000 Schiffe passieren jedes Jahr den 99 Kilometer langen Kanal zwischen Nord- und Ostsee. 1995 wurde die meistbefahrene künstliche Schiffahrtstraße der Welt 100 Jahre alt.
An der Kieler Förde liegt mit den Howaldtswerken eine immer noch bedeutende Werft. Schiffbau ist schon lange das Einmaleins der nördlichsten Landerhauptstadt der Bundesrepublik: Kiel ist die Heimat des Kreiselkompasses und des Echolots. In Kiel enstand der erste Heckfänger für den Hochseefischfang und der erste europäische Atomfrachter "Otto Hahn".
Kiels Industrie liefert Schiffsdiesel, Maschinen und Lokomotiven, baut elektronische und feinmechanische Geräte von Weltruf und verarbeitet Nahrungsmittel aller Art. Gleichzeitig ist die Stadt auch Verwaltungszentrum des Landes. Rund 29.000 junge Leute studieren an der Kieler Universität und an den Fachhochschulen. Neben der medizischen Fakultät gewannen das Institut für Meereskunde und das Institut für Weltwirtschaft Ansehen und Geltung in der Welt.
das Segelschulschiff der Bundesmarine Gorch Fock
Weltbekannt ist auch die "Gorch Fock", das Segelschulschiff der Bundesmarine - nicht nur, weil es die Rückseite des alten 10 DM Scheines ziert. Mit hervorragend eingespielten Mannschaften erwies sich der Segler mit Heimathafen Kiel bei zahlreichen Windjammer-Rennen als einer der schnellsten. Internationale Segelregatten trugen den Namen Kiel schon um die Jahrhundertwende in die Welt hinaus. Seit 1882 findet die Kieler Woche statt - heute mit jährlich 1.800 Booten und rund 5.000 Aktiven das größte Segelsportereignis der Welt. 1936 und 1972 war Kiel Austragungsstadt der Olympischen Segelwettbewerbe. Die Kieler Woche ist gleichzeitig das wichtigste kulturelle, gesellschaftspolitische und volksfestliche Ereignis eines jeden Jahres. Gäste aus aller Welt machen die Kieler Woche zum internationalen Parkett. Dazu gehören auch die Besucher aus den Partnerstädten Brest (Frankreich), Coventry (Großbritannien), Gdynia (Republik Polen), Kaliningrad und Sovetsk (Russische Föderation), Tallinn (Republik Estland), Vaasa (Finnland) und Stralsund. Freundschaftliche Beziehungen unterhält Kiel zu vielen Kommunen vor allem im Ostseeraum. Außerdem ist die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt seit 1986 Mitglied der internationalen Städtesolidarität für den Frieden. Die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki, Opfer der ersten Atombombenabwürfe, haben diese weltweite Initative zur "Förderung der Solidarität der Städte mit dem Ziel der vollständigen Abschaffung aller Atomwaffen" ins Leben gerufen.
Kiels kulturelles Zentrum liegt im Bereich des wiederaufgebauten Schlosses in der Altstadt. Konzertsaal, Ausstellungsräume, eine landesgeschichtliche Sammlung, die Gemäldegalerie und die Landesbibliothek sind im Schloß untergebracht.. Nur wenige Schritte entfernt findet man das Stadtmuseum Warleberger Hof und die Kunsthalle.
Ganz in der Nähe - beim Oslo-Kai - liegt noch eine andere Sehenwürdigtkeit: das Schiffahrtsmuseum mit Museumhafen, in dem der Tonnenleger "Bussard", der Seenotrettungkreuzer "Hindenburg" und das Feuerlöschboot "Kiel" zu besichtigen sind. Bodenständig geht es im Freilichtmuseum in Rammsee vor den Toren Kiels zu: Hier entstand ein einzigartiges Museumsdorf, das einen Eindruck davon vermittelt, wie die Menschen zwischem Nord- und Ostsee früher lebten.
Die Stadtgalerie und die Stadtbilderei haben seit 1988 ihren Platz im Kulturviertel im "Sophienhof". Hier werden auch kulturelle Veranstaltungen aller Art angeboten. Der Sophienhof, gegenüber dem Hauptbahnhof, ist eine moderne Einkaufspassage, die bundesweit ihresgleichen sucht. Kiel - das ist auch die Hauptstadt des Ferienlandes Schleswig-Holstein mit vielen reizvollen Badeorten und "viel Landschaft" in der Umgebung. Mit einer Bevölkerung, die das Wasser, den Hafen, den Segelsport liebt. Und Menschen, die sich den Wind gern um die Nase wehen lassen.
Henri Floor & Coos Verburg